Ich kämpfe um ihn
Ist deine Beziehung ein ständiger Kampf um Liebe? Freust du dich, wenn du kleine Fortschritte erzielst und dein Partner dich wieder mehr schätzt? Hast du das Gefühl, nicht um deinetwillen geliebt zu werden? Hast du sogar das Gefühl, ständig abgelehnt zu werden? Hast du das Gefühl, nie genug zu sein?
Jeder, der einmal unglücklich verliebt war, kennt das schmerzhafte Gefühl, verschmäht zu werden. Egal, wie man sich anstrengt, die andere Person möchte sich nicht auf eine Beziehung einlassen oder dreht sich bewusst weg. Irgendwann verflüchtigt sich die Trauer und weicht einer Akzeptanz. Liebe, die nicht erwidert wird, ist ein Verlust, der nicht leicht zu ertragen ist. Dennoch wendet man sich irgendwann wieder dem Alltag zu. Das Objekt der Begierde ist längst weitergezogen und man selbst macht sich auch wieder auf den Weg.
Der lange Kampf um Liebe und Akzeptanz
Ein Mensch, der sich in einer Missbrauch-Beziehung befindet, empfindet diese schmerzhaften Gefühle jeden Tag. Der Partner geht nur nicht seiner Wege, sondern bleibt vor Ort.
Oft zieht er sich kommentarlos zurück und lässt viele Tatsachen ungeklärt im Raum stehen. Hin und wieder beendet er die Beziehung, um sich dann wieder in Erinnerung zu bringen. Die Lage entspannt sich und der Aggressor ist wieder bereit, das Opfer gnädig aufzunehmen. Als Betroffene interprettiert man dieses Verhalten als "Er liebt mich ja doch" und bleibt ihm erhalten.
Die Trennungen sind meist nur von kurzer Dauer und die Beziehung gerät in ein ständiges On und Off. Für diese Entwicklung macht der Aggressor allein das Opfer verantwortlich und verlangt nach noch mehr Einsatz. Innerlich stimmt das Opfer dem Aggressor zu und macht sich an die Arbeit. Ein Kampf um Liebe, Harmonie und Gleichberechtigung beginnt.
Ich will doch nur geliebt werden
Ein verständlicher Wunsch, den bestimmt jeder irgendwann verspürt. Mal mehr, mal weniger. Die Partnerin eines Narzissten ist jedoch bereit, dafür einen hohen Preis zu zahlen. Um eine längere Beziehung mit ihm zu führen, muss sie viele Facetten ihrer Persönlichkeit aufgeben. Sie muss sich anpassen, ihre eigenen Bedürfnisse zurückstellen und hochempatisch sein. Mit all diesen Mitteln versucht die Betroffene, sich die Liebe des Aggressors zu erhalten.
Da dieser jedoch niemals zufrieden sein wird, muss sie immer mehr in die Beziehung investieren und unliebsame Kompromisse eingehen. Wie ferngesteuert geht die Betroffene auf die jeweiligen Wünsche des Narzissten zu und verbiegt sich. Sie erfüllt brav seine unverschämten Forderungen und lässt sich beleidigen. Dadurch nimmt die emotionale Gewalt immer mehr zu. Begehrt sie dagegen auf, wird sie noch mehr abgewertet.
Natürlich versucht sie dem entgegenzusteuern und setzt übermäßig viel Überzeugungsarbeit ein, um dem Aggressor die einfachsten Regeln des sozialen Umgangs zu erklären. Sie versucht den Narzissten zu verändern, damit sie bleiben kann. Natürlich erfolglos.
Du musst dich ändern!
Mit der Zeit erkennt die Betroffene die emotionale Gewalt hinter dem Verhalten des Aggressors. Keine noch so gute Erklärung findet den Weg in das Bewusstsein des Narzissten. Jetzt beginnt die Überlegung, wie die Partnerschaft weitergeführt werden soll.
Viele Betroffene haben sich auch schon vor dieser Erkenntnis nichts von ihrem narzisstischen Partner gefallen lassen. Permanent haben sie auf ihr Recht auf Anerkennung und Würde gepocht, ohne eine Änderung herbeiführen zu können. Sie haben geschrien, getobt und ihrem Partner immer wieder ihre Meinung gesagt. Anstatt jetzt wenigstens damit aufzuhören, um die eigene Energie nicht sinnlos zu verschwenden, fahren sie fort mit ihrem Tun.
Ich spreche hier aus Erfahrung. Wie ich, werden später viele Betroffene anmerken, sich immer selbstbestimmt verhalten zu haben. Sie werden darauf hinweisen, den Partner jederzeit in seine Schranken gewiesen zu haben. Und sie werden sich auch weiterhin nicht klein reden lassen und im höchsten Maße an ihrer Autonomie arbeiten. Dem Aggressor bleiben sie damit erhalten, gerade, weil sie den Kampf nicht aufgeben.
Statt zu gehen, wird gestritten, getobt und es wird sich weiterhin massiv gegen den Aggressor aufgelehnt.
Der Narzisst freut sich, da er wiederholt etwas bekommt, was ihm seiner Meinung nach zusteht: Aufmerksamkeit und Beachtung.
Die Betroffene verbringt mitunter Jahre damit, sich nichts vom Aggressor gefallen zu lassen und diesem Ziel ordnet sie alles unter. Sie widmet sich vehement diesem Vorhaben, welches ihr die Energien wegsaugt und dem Narzissten Nahrung bringt. Es ist jedoch ein Kampf, der nicht ihn verändern wird, sondern sie.
Später sagen zu können: "Ich habe mir nie etwas gefallen lassen," ist keine Erfolgsmeldung. Dass Gegenteil ist der Fall. Die betroffene Frau spielt das Spiel des Narzissten und hat seine Erwartungen mehr als erfüllt. Anstatt sich abzuwenden, weil Ihre Grenzen massiv übertreten werden, lehnt sie sich weiterhin gegen das schlechte Verhalten des Aggressors auf, und der genießt ihre Zuwendung.
Missbrauch macht einsam!
Sein krankes Beziehungsmuster hat weitreichende Folgen für die Partnerin. Sie ist im Kampfmodus gefangen und konzentriert sich nur noch auf den Aggressor. Damit verliert sie das Feingefühl für sich selbst. Ständig muss sie darauf achten, ihre Grenzen zu verteidigen und ist bald erschöpft und körperlich angeschlagen. Das Vertrauen in die Beziehung geht verloren und wird ersetzt durch eine fremdbestimmte Traurigkeit. Die Partnerschaft ähnelt mehr einem Kriegsschauplatz, als einem Ort der Ruhe und Geborgenheit verspricht.
Die ständige Adrenalinausschüttung und höchste Alarmbereitschaft rund um die Uhr machen krank, fahrig und nervös, weil sich alles nur noch um den übergriffigen Partner dreht. Für alles andere fehlt die Energie, die Lust und die Lebensfreude. Individuelles und selbstbestimmtes Denken verliert sich, da die Beziehung nur durch den nicht greifbaren Terror durchsetzt ist. Die Psyche verändert sich. Die Liebe weicht einer Abhängigkeit.
Die Betroffene verliert sich in dem ewigen Kampf, der ihre Grenzen schützen soll. Die eigene Identität geht derweil andere Wege.
Warum verhalte ich mich so?
Ich kämpfe, weil Liebe verdient werden muss
Hat die Erwachsene schon als Kind diese oder ähnliche Erfahrungen gemacht, kann sie perfekt mit der erlernten Kampftechnik umgehen, ohne dass sich ihr Leben komplett falsch anfühlt. Vielleicht hat sie schon in der Kindheit erfahren, dass sie nicht viel wert ist und dass um Liebe und Akzeptanz eben gekämpft werden muss. Für die Betroffene ist ihr Verhalten also ein bekanntes Mittel, um an das scheinbar Gewünschte zu gelangen. Der Kampfeinsatz ist also berechtigt. Liebe muss erkämpft werden. Achtung muss erstritten werden. Der Respekt muss eingefordert werden. Von selbst stellt sich nichts davon ein. Und wenn doch, kann es ja nichts wert sein, da ja nicht dafür gekämpft wurde. Welch ein Dilemma.
Natürlich nimmt das Kind und später auch die Erwachsene unterbewusst wahr, dass der andere gar keine richtige Liebe empfinden kann, wenn so hart um die eigene Anerkennung gekämpft werden muss. Was aber bleibt, ist die Hoffnung und diese ist besser als nichts.
Mit ihrem Vorleben ist die Erwachsene also die perfekte Partnerin für den Narzissten. Sie kämpft um Liebe und Anerkennung, während dieser sich gemütlich zurücklehnt und das Spektakel sichtlich genießt.
Warum verlasse ich den Narzissten dann nicht?
Als kleines Kind die Eltern zu verlassen, kam nicht in Frage. Jetzt den Partner zu verlassen, löst die gleiche kindliche Verlustangst aus. Der Aggressor kann also sicher sein, dass die Partnerin ihm erhalten bleibt, egal wie er sich aufführt.
Wie paralysiert verharrt die Betroffene in der Beziehung; und auch der Aggressor ändert nichts. Obwohl die Beziehung immer schlechter wird, wird sie weitergeführt. Die Betroffene versucht zwar massiv auf den Aggressor einzuwirken, erreicht jedoch kaum eine Veränderung. Anstatt den Kampf um Liebe und Anerkennung aufzugeben, wird weitergekämpft bis zum Umfallen.
Der Aggressor soll sich endlich ändern, damit die Situation erträglich wird.
Können Narzissten sich denn ändern?
In einer gesunden Beziehung sollten beide Partner darauf verzichten, den anderen tiefgreifend verändern zu wollen.
Scheint unter diesen Bedingungen keine Beziehung möglich, sollte eine Trennung erwogen werden. Sprechen zu viele Gründe gegen eine Weiterführung, kann diese Entscheidung der bessere Weg sein. Insbesondere wenn ein Partner die erwartete Liebe und Anerkennung nicht zeigen will oder kann. Der Kampfmodus wird hier also nicht gebraucht.
In einer narzisstisch geprägten Beziehung gibt es diese gesunde Einstellung nicht.
Hier sind beide ständig damit beschäftigt, den Partner in andere Bahnen zu lenken.
Damit das Leben mit dem Aggressor erträglich wird, soll dieser sich ändern. Eine Trennung kommt für die Betroffene aufgrund der ständig anwesenden Verlustangst nicht infrage. Der Narzisst genießt diese negativ besetzte Beziehung und hat selbst auch keine Motivation, eine Besserung herbeizuführen. Obwohl er dem Opfer immer wieder mitteilt, wie unglücklich er sich fühlt, lenkt er immer wieder ein. Eine destruktive Beziehung ist für den Aggressor eine erfolgreiche Beziehung. Ständig kritisiert er die Partnerin und bleibt da, wo er ist.
Anstatt beide einander akzeptieren und eine Trennung in Erwägung ziehen, wenn die Beziehung unerträglich wird, geht das übergriffige Denken auf beiden Seiten unverändert weiter. Beide sind in einem unguten Tanz gefangen, der nur selten sofort beendet wird.
Sobald ein Ende der Beziehung in Betracht gezogen wird, macht sich zudem der Gedanke breit, der Aggressor könne sich einer anderen Frau zuwenden. Dies wiederum triggert enorm die Verlustangst des abhängigen Partners. Der nächste Kampfeinsatz wird vorbereitet.
Ich bleibe und überlasse meinen Partner keiner anderen Frau
Das Wort Trennung würde zwar bedeuten, dass es das Opfer gar nicht interessieren sollte, was der übergriffige Partner nach Beendigung der Beziehung so treibt, aber genau das Gegenteil ist der Fall. Der Gedanke, die nächste Partnerin würde all das bekommen, was man sich selbst sehnsüchtig wünscht und ständig eingefordert hat, ist kaum zu ertragen. Die Betroffene kämpft jetzt gegen eine Frau, die sie noch nicht einmal kennt. Dieser Kampfmodus gewinnt schnell die Oberhand, wenn keine vernünftigen Argumente dagegen gesetzt werden:
Narzissten können ihr Krankheitsbild nicht ändern. Sie können aber sehr wohl ihr Verhalten ändern. Was bedeutet das?
Da der Aggressor keine eigene Persönlichkeit besitzt, leiht er sich diese bei seinem nächsten Opfer. Wünscht sich dieses ein Haus, bekommt es eben ein Haus. Honeymoon. Das Gleiche hast du auch erlebt, oder nicht?Am Anfang der Beziehung wird die Vorstellung von einem gemeinsamen Leben frei Haus geliefert. Der Aggressor stellt die neue Partnerin auf ein Podest und transformiert sich selbst in den Mann, der gewünscht wird. Plötzlich will er ein Kind und heiraten, während die Betroffene vergebens darum gekämpft hat, Mutter zu werden.
Erfüllt der Aggressor tatsächlich die Wünsche der neuen Partnerin, wird er ihr irgendwann das Kind entziehen und anmerken, es sei ihre Schuld. Auch hier kann er nicht gleichbleibend freundlich bleiben und seine transferierte Persönlichkeit bekommt Risse. Fühlt er sich durch den Nachwuchs an die Seite gedrängt, fangen die Probleme erst richtig an. Die Frau ist jetzt praktisch schuld, dass er auf ihre Wünsche eingegangen ist. Sollte die neue Partnerin jetzt in eine emotionale Abhängigkeit rutschen, beginnen für sie die Tage der Abwertung.
Ist der Honeymoon vorbei, werden andere Seiten aufgespielt.
Gerät er an eine Frau, die keine Kinder will, pocht er spätestens jetzt darauf, dass er Nachwuchs möchte. Will er ein Haus kaufen, dann nur, weil seine neue Liebe lieber eine Wohnung in der Stadt möchte.
Das Prinzip seines destruktiven Verhaltens ändert sich also nicht im Geringsten.
Der Narzisst und die Frauenwelt
Machtspiele
Evelina Blum
Das Buch stellt das Wesen der emotionalen Partnerschaftsgewalt klar und deutlich heraus. Die Folgen für das Opfer werden detailliert beschrieben.
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Der Kampf um ein Nichts
Dieses ganze Spiel hat also gar nichts mit Dir zu tun. Deine Angst, eine andere Frau würde bekommen, was du dir wünschst, ist unrealistisch und von ganz anderen Faktoren abhängig. Warum also den Kampf nicht aufgeben?
Dieses Nachdenken über andere Frauen, die deinen Platz einnehmen, führt nur dazu, dass du immer mehr an Selbstwert verlierst und dich im Kampfmodus wiederfindest. Zudem machst du dich mit diesem Denken erpressbar. Immer intensiver wird der Aggressor dir vorbeten, wie toll die anderen Frauen in seinem Leben sind und wie leicht er diese für sich gewinnen kann.
Lass ihn reden, was er will. Aus diesem Grund beim Aggressor zu bleiben, macht einfach keinen Sinn. Sein Krankheitsbild ändert sich nicht, auch nicht in der nächsten Beziehung.
Veränderung ist die Lösung
Er kann sich nicht verändern, aber Du kannst es. Überlege, ob du weiter für etwas kämpfen willst, was du eigentlich schon längst verdient hast.
Ihm bringt dieser Kampf nur Vorteile und du bekommst niemals, was du dir wünschst. Sobald der Aggressor bemerkt, was Du willst, bekommst Du das genaue Gegenteil davon. Im Kampfmodus gibst du preis, was du möchtest und dieses Wissen verwendet er gegen dich. Willst du ein rotes Kissen, kommt er bestimmt mit einem grünen Kissen daher.
Und noch etwas passiert: Deine Abhängigkeit nimmt unvorstellbare Ausmaße an. Auch wenn Du diesen Zustand als übergroße Liebe wahrnimmst, entspricht dieses Gefühl vielleicht schon längst nicht mehr der Realität. Im Kampfmodus verstrickt, die Beziehung um jeden Preis retten zu müssen, verabschiedest du dich nämlich von deiner eigenen Wahrnehmung. Und diese Tatsache ist nun wirklich real. Wenn nur noch die nackte Angst regiert, werden tausend andere Ausreden gefunden, um zu bleiben.
Auch wenn Du einen Partner liebst, musst Du sein Verhalten trotzdem nicht auf Dauer ertragen. Das ist der Unterschied zwischen Liebe und Abhängigkeit.
Prüfe also gut, wie weit du deinem Partner entgegenkommen möchtest.
Anpassung und Kompromissbereitschaft sind gute Begleiter. Sie sollten nur gleichberechtigt zum Einsatz kommen. In einer Beziehung mit einem Narzissten bist du jedoch immer die Unterlegene, egal wie viel Einsatz du zeigst. Du versuchst deinen Partner zu ändern und verlierst, weil du nicht gewinnen kannst. Du verlierst nicht, weil du zu wenig um deine Liebe gekämpft hast.
Niemand sollte um Liebe kämpfen müssen!
Versuche dich zu trennen, um einen Partner zu finden, den du akzeptieren kannst, wie er ist.
Versuche dich zu trennen, um einen Partner zu finden, der dich so mag wie du bist.
2022@Evelina Blum