Beziehungsverlauf mit einem narzisstischen Partner
Ein seltsames Verhalten hier, eine respektlose Bemerkung dort. Manche Situationen vermuten mehr, aber dieses ungute Gefühl wird schnell verdrängt. Die Partnerschaftsgewalt wird gut getarnt.
Dieser Mann ist eine charismatische Persönlichkeit. Keine Frage! Er hat ein charmantes Lächeln und kann sich gut ausdrücken. Er ist erfolgreich und strahlt nach außen eine völlige Makellosigkeit und Perfektion aus. Manche kommen eher unscheinbar daher und haben doch den Glanz und die Macht, selbst die schönsten Frauen an sich zu binden.
Ist er tatsächlich diese Art Mann, der die Beziehung und seine eigene Partnerin zugrunde richten wird? Was ist nur gestresstes Verhalten und wo beginnt die emotionale Gewalt?
Anhand einem Beispiel zeige ich auf, wie die Beziehung mit einem narzisstischen Menschen aussehen könnte. Erfahrungswerte und verschiedene Blickwinkel geben diesem Vorgang allerdings ein sehr unschönes Gesicht.
Seelenverwandt und verliebt
Träume, Zukunftsvorstellungen, gemeinsame Interessen.
Zunächst passt alles perfekt zusammen. Die Partnerin fühlt sich toll. Sie wird geachtet und in den Himmel gehoben und fragt sich selbst, warum gerade ihre Person so geliebt und angebetet wird. Diese Fragestellung wird immer unwichtiger. Es ist ein schönes Gefühl, sich endlich begehrt und akzeptiert zu fühlen. Die Betroffene bekommt Aufwind durch den neuen Partner. Sie steht ganz im Fokus dieses Mannes. Alles geht relativ schnell.
Dass er äußerlich nicht dem entspricht, was sie sich vorgestellt hat, ist jetzt egal. Ihre Liebe wird bald bis in den Himmel wachsen. Kleine, unwichtige verbale Aussetzer tut sie als Überarbeitung oder anderweitigen Stress ab.
Sie schiebt ihr Unwohlsein von sich und konzentriert sich voll auf den Partner, der für sein unangebrachtes Verhalten jederzeit gute Gründe vorweisen kann. Er erzählt ihr, wie schlecht seine letzte Beziehung war und wie sehr er gelitten hat.
Natürlich wird sie versuchen, diese schmerzhaften Verhaltensmuster aus ihrer Beziehung zu verbannen. Sie wird ihm beweisen, dass es auch anders geht.
Haben beide Kinder mit einem anderen Partner, erschwert dies die Situation zusätzlich. Seltsames Verhalten dem Nachwuchs gegenüber nimmt sie deshalb nicht so ernst. Sie erklärt ihre Sichtweise und macht Verbesserungsvorschläge.
Sehr nett von ihr, nicht wahr?
Unwohlsein
Unmerklich beginnt sie sich ungewohnt schlecht zu fühlen und ist etwas zerstreut. Ihre Gedanken hören nicht auf zu kreiseln. Ihre innere Ruhe kehrt nicht mehr ein. Es wird der allgemeine Stress sein, denkt sie. Sie weiß, dass es in dieser Beziehung noch Probleme gibt, die gelöst werden müssen. Er ist oft ungeduldig und kritisiert sie mehr als in der ersten Zeit. Ihr Stress verstärkt das Ganze noch. Sie muss ruhiger werden, dann kommt wieder alles in Ordnung.
Vieles hat sie schon an sich verändert. Seine Kritikpunkte, die oft Enttäuschung signalisieren, haben sich in ein Nichts aufgelöst. Sie weiß nicht, warum sie sich noch Sorgen macht. Er sagt ihr, dass er sie liebt. Also muss doch auch alles in Ordnung sein.
Verzicht
In manchen Situationen muss sie jedoch staunend feststellen, dass der Mann ganz anderen Interessen und Verhaltensmustern nachgeht wie zuvor behauptet. Da muss sie vieles falsch verstanden haben. Nun findet er es langweilig, mit ihr ins Kino zu gehen. Auch lästige Angewohnheiten stellen sich ein. Er schaut gerne Pornos und ist hin und wieder ganz aufreizend an anderen Frauen interessiert. Die Gespräche verlaufen jetzt auch ein bisschen anders.
Er räumt zwar manchmal ein, sich falsch zu verhalten, unterstellt ihr aber Absichten: Sie wäre nicht an seinem Wohl interessiert. Sie wäre eifersüchtig, kleinkariert und zänkisch. Mit der Zeit lässt sie ihn lieber machen, was er möchte. Das Geplänkel mit den anderen Frauen stuft sie als harmlos ein. "Die Männer sind eben so." Dass er sie jetzt manchmal als faul und dumm tituliert, hat auch nichts zu bedeuten. Im Streit sagt jeder einmal etwas, was er nicht so meint.
Gerade eben hat er ihr noch gestanden, dass er sie liebt und verlangt, dass sie ihm dies auch sagt.
Haushalt und Unfrieden
Ein diffuses Gefühl der Verunsicherung und der Verlorenheit bleibt trotzdem zurück. Auch wenn sie nicht mit ihm zusammen ist, läuft ihr Körper auf einer Art Alarmstufe. Verbale Botschaften werden verteilt, mit denen sie nicht umgehen kann. In ihrer freien Zeit versucht sie dem auf die Spur zu kommen und Lösungswege für die verschiedenen Probleme zu finden.
Erklärungen von ihm helfen ihr dabei. Sie muss einsehen, dass vieles so ist, weil sie den Haushalt nicht im Griff hat oder andere Konflikte magisch anzieht.
Je mehr Probleme es gibt, je mehr Gespräche finden nun statt. Am Anfang der Beziehung hat er ihre Sätze noch zu Ende gesprochen, jetzt reden beide irgendwie aneinander vorbei. Sie versucht die Missverständnisse zu klären, die sich immer mehr aufbauen. Manchmal hat er jedoch keine Lust auf Gespräche und geht ihr aus dem Weg. Verständlich, wie sie meint. Er ist halt genervt von ihr.
Sie schreibt ihm kleine Mitteilungen und versucht auf diese Art, ihm ihre Denkweise näher zu bringen. Zuerst reagiert er noch auf ihre Schreiben, aber mit der Zeit auch nicht mehr.
Kinder
Die Kinder werden auch immer mehr zu einem Problem. Diese tun scheinbar ihr Bestes, um die Beziehung zu gefährden, seiner Meinung nach!
Hat er eigene Kinder, bleiben diese außen vor. Immer ist es nur ihr Nachwuchs, mit dem es Probleme gibt. Sie käme mit der Erziehung nicht zurecht. Mit versteckten Andeutungen wird sie darauf aufmerksam gemacht. Offen sagt er selten etwas, da er sich gut mit den Kindern stellen will. Dieses Verhalten schmerzt sie, denn die Konflikte mit ihnen nehmen tatsächlich immer mehr zu. Sie muss feststellen, dass er recht hat. Der Umgang mit ihnen wird täglich schwieriger. Die Kinder verstehen einfach nicht, dass sie sich nur anders verhalten müssten und alles käme in Ordnung. Sie grübelt und grübelt, wie das Problem zu ist.
Sogar wenn es um die eigenen Kinder geht, zeigt er sich oft eifersüchtig. In der ersten Zeit freut es sie natürlich, dass er mit ihr allein sein möchte, aber unmerklich spürt sie den Druck. Sie kann sich nicht richtig um die Kinder kümmern, wie sie es gerne tun würde.
Er fordert Zeit ein, die sie ihm nur mühsam zugestehen kann. Zusätzlich fördert er Situationen, in denen sie peinlich berührt, zurückbleibt. Nur selten begegnet er ihr partnerschaftlich und lässt sie vor anderen Personen schlecht dastehen. Insbesondere wenn es um die Kinder geht, verhält er sich auf diese Weise. Wenn sie ihn darauf anspricht, weiß er nicht, was sie von ihm will. Sie sei zu empfindlich und regt sich umsonst auf.
Lügen und Streit
Er lügt jetzt auch mehr, stellt sie entsetzt fest.
Oft bleibt er nicht bei der Wahrheit. Vorher waren es nur kleine Notlügen. Nun vermutet sie, dass er Streit vermeiden will, damit sie sich nicht aufregt. Verständlich, wie sie meint. Sie muss ihm mehr Freiheiten einräumen, damit er sich nicht Unwahrheit und Notlüge verliert. Schließlich möchte er ihr nicht absichtlich wehtun, sondern bei der Wahrheit bleiben, auch wenn ihr dies nicht gefällt. Er ist ja so ein netter Mann.
Am Anfang der Beziehung hat er sie doch toll gefunden und sie hat sich gut gefühlt. Es wäre doch gelacht, wenn sie dieses Hochgefühl nicht wieder erreichen könnte. Sie kauft sich andere Kleidung, schminkt sich etwas mehr und gibt sich frei und unbeschwert. Das mag er nämlich sehr. Sie setzt alles konsequent um und sieht endlich wieder den Erfolg.
Sie wird gelobt und in den Himmel gehoben.
Vernachlässigung und Isolation
Mit der Zeit fühlt sie sich jedoch wie gelähmt.
Wenn er in der Nähe ist, kann sie sich nicht richtig konzentrieren. Die familiäre Situation mit den Kindern zerrt ebenfalls an ihren Nerven. Deshalb hat sie schon alles nach seinen Wünschen ausgerichtet, bevor er nach Hause kommt. Schließlich soll es ein schöner Tag werden und nicht wieder im Stress oder Streit enden.
Die Zeit vergeht und es scheint immer besser zu werden, nur dass sie sich oft müde fühlt. Die Beziehung ist anstrengend und sie stellt fest, dass sie keine Lust mehr hat, etwas zu unternehmen oder sich mit ihren Freundinnen zu treffen. Da ihr die Motivation dazu fehlt, hat sie damit automatisch ein weiteres Problem gelöst.
Ihre Freizeitaktivitäten gefallen ihm nicht, dessen ist sie sich längst bewusst. Obwohl er selten darüber redet, bemerkt sie dieses Denken an seinen abfälligen Bemerkungen. Auf ihre Familie und ihr direktes Umfeld ist er ebenfalls nicht gut zu sprechen. Sie distanziert sich von ihrem Familienkreis, damit er endlich Ruhe gibt.
Hat sie alles im Griff und kann bestimmte Leute fernhalten, ist alles harmonisch. Immer deutlicher begreift sie, dass sie allein dafür zuständig ist, dass alles seinen Platz hat. Wenn die Kinder und der Rest der Familie nicht allzu viel Raum einnehmen und sich nichts störend auswirkt, entsteht in ihr das alte Gefühl von Sicherheit.
Er selbst bringt sich in die Beziehung kaum noch ein. Manches negative Verhalten lässt er zwar weg, aber immer nur für wenige Tage oder Wochen. Sie dagegen muss lieb gewonnene Tätigkeiten und Personen aufgeben, aber das macht sie ja gern für diesen Mann. Die neue Freundin war schon immer etwas komisch, warum also noch mit ihr befreundet bleiben. Er macht sich halt Sorgen um sie.
Und es ist wie früher.
Wortbruch und Kontrolle
Schlechte Tage gibt es in jeder Partnerschaft.
Mit der Zeit nimmt er sich jedoch immer mehr Berechtigungen heraus. Er geht dazu über, getroffene Absprachen zu brechen. Dieses Recht hat sie scheinbar nicht. Für ihn gibt es immer nachvollziehbare Gründe, etwas zu tun, was ihr versagt bleibt. Sie hat nur eine viel zu engstirnige Haltung, um dafür Verständnis zu haben. Diese Denkweise muss sie akzeptieren und ihre Einschätzung nach Möglichkeit ändern. Überhaupt ist vieles ihr Verschulden.
Ihn beim Lügen zu ertappen, ist ebenso ihre Schuld. Sie ist einfach zu penetrant, reagiert völlig überzogen und fordert zu viel Rechenschaft. Sie mutet ihm schon eine Menge zu.
Dass er deshalb ihr Handy kontrolliert, findet sie in Ordnung. Vielleicht verbessert sich dann seine Laune. Seine Ex hatte früher wie wild mit anderen Männern geschrieben und er darf gerne sehen, dass sie sich anständig benimmt. In Zukunft wird deshalb vieles besser werden, dessen ist sie sich sicher. Sie freut sich schon auf die Zeit, wo die Vergleiche mit anderen Personen ein Ende haben.
Ihre Reaktion - Krankheit
Es wird nicht besser.
Stattdessen wird sie noch öfter krank oder hat Migräne. Ihre Wahrnehmung ist verzerrt und alles ist wie im Nebel. Sie flüchtet in die Krankheit und ist froh, Zeit zum Ausruhen zu haben. Trotzdem stellen sich Herzrhythmusstörungen, Regelschmerzen und ungewöhnlich lange Regelblutungen ein. Der Arzt fragt sie nach nervlichen Belastungen und ob sich in der letzten Zeit etwas verändert hat. Die Frau sitzt zu Hause und grübelt. Was hat sich verändert?
Nichts, außer dass sie jetzt eine stressige Beziehung hat und sie vorher viel ruhiger und ausgeglichener war. Dass eine Partnerschaft immer Probleme mit sich bringen kann, weiß aber jeder und das allein kann es ja auch nicht sein.
So schön, wie es am Anfang war, konnte es ja auch nicht bleiben. "Das ist in jeder Beziehung so." Ihre verbliebenden Freundinnen bestätigen ihr das auch immer wieder.
Dass er sie manchmal als faul und engstirnig bezeichnet, macht ihr Sorgen. Das muss doch auch etwas zu bedeuten haben. Vielleicht ist sie ja wirklich krank. Ist das alles normal?
Erkenntnisse
Doch dann gibt es wieder die schönen Zeiten, wo alles ist wie früher. In denen er erzählt, wie wunderbar alles werden wird, wenn sie nur ...
Deshalb geht sie auf die Suche. Was könnte sie noch besser machen? Brigitte-Ratgeber und Freundin-Ratgeber geben ihr Problem nicht wieder. Sie schaut ins Internet und findet Beiträge über emotionale Gewalt. Dort taucht das erste Mal der Gedanke auf, dass es nicht an ihr liegen könnte, dass die Probleme so drastisch zunehmen.
Sie verbringt viel Zeit mit Lesen und findet ähnliche Fälle. Richtig identifizieren kann sie sich nicht damit. Emotionale Gewalt kann es nicht sein. Partnerschaftsgewalt schon gar nicht. Er schlägt sie nicht und ist auch sonst kein gewalttätiger Mensch. Er geht nur ungeniert seinen Vorlieben nach und denkt zu wenig an ihre Gefühle. Sein grenzwertiges Verhalten reflektiert er kaum.
Immer mehr angstmachende und verletzende Situationen tauchen auf. Immer schmerzvoller wird die Beziehung. Er wird immer eifersüchtiger auf die Kinder, auf die Umgebung und auf alles, was ihre Aufmerksamkeit von ihm ablenkt. Und sie bemerkt, wie verdreht und verbogen sie sich fühlt. Kristallklar sieht sie nun, dass sie sich verändert hat.
Verbesserung wird angestrebt
Sie versucht den Gesprächen eine neue Wendung zu geben. Ihre Forderung nach einer Veränderung innerhalb der Beziehung spricht sie intensiver an. Leider führen diese Aussprachen zu noch zu mehr Ablehnung, Abwertung, Ignoranz und Spott ihr gegenüber. Ihre Wahrnehmung wäre übertrieben und unberechtigt.
Sie versucht vorangehende Verletzungen aufzuzählen, um ihm klar zu machen, dass sie nicht übertreibt.
Sie merkt jedoch schnell, dass sie Beispiele von früher nicht miteinbringen kann. Seine Erinnerung an diese schmerzhaften Momente sehen immer anders aus oder haben gar nicht stattgefunden.
Obwohl sie an ihrer Wahrnehmung zweifelt, stellt sie erstaunt fest, dass sie diese verwirrende Gesprächsführung von früher kennt. Bisher dachte sie, dass es nur Missverständnisse seien, die ausgeräumt werden müssten. Jetzt bemerkt sie, dass er vieles ganz bewusst einfließen lässt, um vom Thema abzulenken.
Sie kann ja gehen, wenn ihr etwas nicht passt. Diesen Satz hat sie schon öfter gehört, aber das wollte sie doch nie. Diesen Weg möchte sie auch heute nicht gehen und lenkt ein.
Der Narzisst und die Frauenwelt
Machtspiele
Evelina Blum
Das Buch stellt das Wesen der emotionalen Partnerschaftsgewalt klar und deutlich heraus. Die Folgen für das Opfer werden detailliert beschrieben.
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Erpressung und Manipulation
Obwohl sie gern ein grünes Sofa möchte, akzeptiert sie nun ein rotes Sofa.
Dieses ist ja auch schön und er wollte doch schon immer eins in dieser Farbe. In seiner vorherigen Beziehung hat die Ex immer alles bestimmt. Um besser und toleranter zu wirken, lenkt sie ein. Trotzdem wird sie mit dem roten Sofa nicht froh. Bei der nächsten Anschaffung versucht sie deshalb einen Kompromiss auszuhandeln, aber auch hier ist keine Einigung möglich. Wenn sie etwas nicht möchte, kann sie ja gehen. Er braucht diese Beziehung nicht.
Sie versteht die Welt nicht mehr. Wegen so einer Kleinigkeit setzt er tatsächlich die ganze Beziehung aufs Spiel? Sie ist verletzt und entsetzt! Nach diesen ernsten Auseinandersetzungen folgen zwar immer wieder diese wundervollen verliebten Zeiten, aber sie versteht nicht mehr, wie er einfach so zum Alltag übergehen kann.
Wegen banaler Situationen werden jetzt Trennungsgespräche geführt, die sie verzweifelt und traurig zurücklassen. Ihm scheinen diese Gespräche kaum etwas auszumachen. Kinder, Sofas, alles, was nicht stimmt, wird dafür hergenommen. Ihr allein wird die Schuld an den Unstimmigkeiten im Alltagsgeschehen zugeschoben. Sie beginnt sich aufzureiben und nachzugeben, um die Harmonie zu bewahren. Zuviel hat sie bereits in diese Beziehung investiert.
Sie kann jetzt nicht einfach aufgeben.
Erkenntnisse
Er beginnt zu taktieren. Wenn du nicht ... , dann ich ...
Emotionale Erpressung in Reinform, die sie nicht mehr ignorieren kann. Sie muss sich eingestehen, dass seine Taten nur noch selten zu seinen Aussagen passen. Sie erkennt, dass er sich nicht an getroffene Absprachen hält und sie weiterhin belügt. Er sagt, dass er sie liebt und ist trotzdem bereit, wegen Nichtigkeiten die ganze Beziehung aufzugeben?
Er verletzt sie, ohne sich selbst zu hinterfragen? Sie hat sie sich weiter im Internet umgesehen und neue Informationen aus dem Netz gezogen. Sie hat vieles über Narzissmus gelesen, aber das darf doch nicht sein. Bei intensiver Betrachtung sind diese Personen Gewalttäter und Gewalt tut er ihr bestimmt nicht an. Sie glaubt es nicht.
Aber diesen Kraftakt hält sie auch nicht mehr lange durch. Kleine körperliche Beschwerden wachsen sich jetzt so richtig aus. Kleine Unpässlichkeiten manifestieren sich in ernst zu nehmenden Krankheitsmustern. Beim nächsten Streit, als er nach den Schlüsseln greift, sagt sie ihm, dass er wegbleiben soll. Sie will nicht mehr.
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Das kennt er nicht.
Ihm wird bewusst, dass er zu weit gegangen ist und rudert zurück. Er möchte seine Partnerin, die mittlerweile schon längst zu einem Opfer geworden ist, nicht verlieren. Die Beziehung macht ihm Spaß. Er drückt Knöpfe und sie reagiert, wie er möchte und wie er es für richtig hält. Aus Neid und Missgunst bringt er sie dazu, sich selbst, ihre Familie und die Kinder zu vernachlässigen.
So etwas findet er nicht an jeder Ecke. Wenn er sich vorher nie entschuldigt hat, tut er es jetzt. Er erklärt ihr, was für ein Idiot er ist und sie schmilzt dahin. Er packt die erste Liebe wieder aus und sie machen einen neuen Anfang. Alles soll anders werden.
Sie ist jetzt nicht mehr so leicht zu beeindrucken, aber wenigstens möchte er sich ändern und ist nicht jemand, der emotionale Gewalt anwendet. Also versucht sie, sich einfach mehr durchzusetzen und ihre starke Seite zu zeigen, aber ihr Nervenkostüm hat gelitten.
Offene Gewalt
Das ganze Ausmaß der emotionalen Ausnutzung macht sich bemerkbar. Die schönen Phasen nach einem Streit als Wiedergutmachung helfen ihr auch nicht mehr. Jede kleine Auseinandersetzung wird zur Zerreißprobe. Die zunehmende psychische, seelische und körperliche Belastung ist kaum noch auszuhalten.
An seinem perfiden Verhalten sieht sie, dass auch er zunehmend aggressiver reagiert. Heimlichtuerei und versteckte Unwahrheiten sind weiterhin an der Tagesordnung, aber diese werden jetzt offen gezeigt, damit sie merken soll - hier stimmt etwas nicht. Doch jedes Mal, wenn sie über eine Trennung nachdenkt, weiß er ganz genau, wie er sie wieder zurückholen kann. Und jedes Mal beginnt eine neue Verliebtheitsphase, in der sie hofft und betet, dass er begreift, was er mit ihr verlieren wird.
Kampf um Wertschätzung
Vehement versucht sie jetzt, gravierende Veränderungen herbeizuführen. Sie zeigt ihm auf, dass er sie verletzt und dass es sie schmerzt, wenn er sich über sie lustig macht und sie in Gesellschaft abwertet.
Er versteht nicht. Und er versteht wirklich nicht. Er kann keine Gefühle lesen. Sie erklärt und erklärt, und obwohl er nicht versteht, weiß er, dass er etwas ändern muss. Er bemüht sich, da er von allein kein netter Mensch sein kann. Aber schon bei der nächsten Gelegenheit merkt sie, dass sie alles wieder neu erklären muss, weil sich die Situation verändert darstellt. Sie hat Geduld.
Ignoranz und falsche Wahrnehmung
Die Ignoranz nimmt trotzdem mit jedem neuen Tag zu.
Nicht nur auf seiner Seite wachsen die Bedenken und der Ärger. Sie beginnt sich zu fragen, was ihr diese Beziehung noch bringt, außer Schmerz und Abwertung. Ihre Wertschätzung und Bewunderung für diesen Mann nimmt ständig ab.
Statt jetzt für Besserung zu sorgen, droht er mit Liebesentzug. Dieses Verhalten hatte er vorher schon gezeigt, um den gemeinsamen Gesprächen aus dem Weg zu gehen. Jetzt kommt in ihr aber das Gefühl hoch, dass er sie bewusst meidet, um sich nach einer neuen Quelle der Bewunderung umzusehen. Sie versucht mit ihm darüber zu reden, dass sie sich durch sein Verhalten abgestraft fühlt.
Ihre Wahrnehmung ist und bleibt weiterhin jedoch ein Problem. Wenn sie Fragen, Kritik und Vorwürfe an ihn richtet, ist es immer nur sie, die alle Dinge falsch sieht. Sie würde ihn völlig unzulänglich interpretieren. Alles wäre nicht so, wie sie meint, und sie wird wiederum aufgefordert, doch endlich einmal Ruhe zu geben. Jetzt fragt sie sich wirklich, ob ihre Wahrnehmung noch in Ordnung ist.
Wenn sie mit anderen Personen über ihre Probleme spricht und ihre Bedenken äußert, wird sie beruhigt. "Er sei doch ein ganz lieber Mensch, was sie denn noch wolle? Sie solle nicht zuviel nachdenken."
Sie möchte eigentlich gar nichts mehr denken und gehen, aber wenn sie die Konsequenzen überschlägt, kommt Panik hoch.
Selbstaufgabe?
Das Gefühl, verlassen zu werden oder selbst gehen zu wollen, greift immer mehr um sich. Sie redet kaum noch über ihre Beziehung und ihre Sorgen. Schon längst schämt sie sich vor sich selbst, wie schwach sie doch ist, weil sie keinen Ausweg aus dieser absurden Situation findet.
Irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem sie erkennen muss, dass es so nicht weitergehen kann. Ihre richtige Wahrnehmung kann die vielen Vorkommnisse nicht mehr außer Kraft setzen.
Die Tatsachen, die er schafft, tun weh.
Seine Worte schmerzen. Die perfide Ignoranz wird bald nicht mehr auszuhalten sein. Die Verletzungen nehmen weiter zu. Irgendwann müssen tatsächlich Konsequenzen gezogen werden, aber nicht heute!
... aber, das ist der falsche Weg, dieses Problem zu lösen.
2023@Evelina Blum