Die psychische Gewalt wird toleriert
Innerhalb einer Gewaltbeziehung gibt die betroffene Frau nach und nach das Recht auf, ihr Leben in Selbstbestimmung zu führen. Dieser Vorgang geschieht manchmal so unbemerkt, dass es dem Opfer gar nicht auffällt. Viele Verhaltensmuster sind einer Frau zu eigen oder in der Kindheit erlernt. Sie ist es gewohnt, für das schlechte Benehmen anderer Personen eine passende Entschuldigung zu finden, um trotzdem respektvoll mit ihnen umzugehen. Dieses Verhalten ist beispielsweise als Mutter eine Grundvoraussetzung. Die gelebte Beziehungsstruktur wird selten hinterfragt und die Betroffene wird unbemerkt in eine Ecke gedrängt, wo sie gar nicht stehen will. Sie passt sich den Begebenheiten an und verändert sich. Es gibt viele Gründe, sich freiwillig in diese Ecke zu begeben. Angewendete Partnerschaftsgewalt ist nur einer davon; die Freiwilligkeit des Opfers ein anderer.
Verschiedene Ausgangs-Situationen sind möglich:
- Unkenntnis
Die Betroffene versteht die Vorgänge in der Partnerschaft nicht. Sie hält vieles für ein normales Alltagsproblem, das sich irgendwann auflösen wird. Körperliche Gewalt wird oft nicht ausgeübt, also werden die verbalen Attacken als weniger schwerwiegend abgetan. Verzweifelt versucht sie in der Beziehung Harmonie herzustellen. Gelingt dies nicht, hält sie sich selbst für die Ursache des Problems. Unterstützt wird sie darin vom Aggressor, der dieses Denken konsequent fördert und ihr die gesamte Schuld aufbürdet.
- Ausharren um jeden Preis
Die Betroffene wird das erste Mal mit dieser Gewaltform konfrontiert, weiß aber relativ schnell Bescheid. Sie hofft auf Besserung und versucht den Partner stetig zu ändern. Sie erklärt ihm immer wieder die Spielregeln einer liebevollen Beziehung. Dies wird schnell zum Lebensinhalt und zu einer Lebensaufgabe, die sie vom Aggressor abhängig macht. Da sich Ihr ganzes Denken nur noch um ihn dreht, gibt sie Ihr eigenes Leben freiwillig auf.
- Wiederholungsfall
Die Betroffene stellt fest, dass sie sich nicht das erste Mal in einer destruktiven Beziehung befindet. Schon wieder hat sie einen Partner gewählt, der ein destruktives Verhaltensmuster zeigt. Sie hat nicht aufgearbeitet, was in den vergangenen Partnerschaften passiert ist und warum sie sich wiederum in die gleiche Situation begibt und dort verbleibt.
- Rückfall
Die Betroffene geht freiwillig immer wieder in die gleiche Beziehung zurück und hat für sich keine Strategie entwickelt, die sie davor schützen kann. Sie hat für sich nicht geklärt, warum sie sich dieses Leid selbst antut. Die Liebe zum Aggressor wird zum erklärten Ziel und sie vernachlässigt alles andere. Ihr Leben wird zu einer einzigen Baustelle.
Wo soll ich die Gründe für meine Abhängigkeit suchen?
Es gibt viele Ursachen für dieses selbstzerstörerische Verhalten. Einige Möglichkeiten werden hier genannt, um die Muster aufzuzeigen. Natürlich gibt es für jede Betroffene einen anderen, ganz individuellen Hintergrund.
- Kindheitserinnerungen
Viele kennen das Verhalten ihres Partners schon aus der eigenen Kindheit. Es wurde Ihnen von den Eltern oder anderen Bezugspersonen vorgelebt. Es ist für sie annehmbar, weil es etwas ist, was sie gewohnt sind. Die Jahre vergehen und ihre eigene Beziehung hängt immer an denselben Problemen fest. Ein Leben ohne den Partner erscheint jedoch sinnlos. Trennungsgespräche sind zwar an der Tagesordnung, aber man geht einfach wieder zum Alltag über. Eine Lösung steht nicht im Raum.
- Angst vor Veränderungen
Der aktive Kampf gegen das destruktive Verhalten würde Konsequenzen mit sich bringen, die das Opfer nicht tragen will. Eine Trennung kommt nicht infrage. (Sozialer Abstieg, Verlust von Ansehen, Verlust von materiellen Werten). Aus Angst vor diesen Konsequenzen ist die Frau bereit, alles hinzunehmen und findet für sich Lösungen, ihre Situation zu ertragen. Psychosomatische Krankheiten und der Griff zur Flasche mit eingeschlossen.
Wieder andere wollen ihrem Leben keine andere Wendung geben, weil sie dem Nachwuchs die Kindheit nicht verderben wollen. Sie möchten warten, bis dieser alt genug sind. Dabei gibt es nichts Schlimmeres für Kinder als zu sehen, was ihre Mutter in dieser Zeit alles erdulden muss. Nichts bringt das Opfer jedoch von seiner selbst gewählten Einstellung ab.
- Beziehungssucht
Viele Frauen können allein durch den Gedanken, ihren Partner zu verlieren, in Angst und Schrecken versetzt werden. Allein zu leben ist für sie schlimmer, als Partnerschaftsgewalt erleben zu müssen. Für die destruktiven Verhaltensweisen des Partners werden die wildesten Entschuldigungen gefunden, um sich zu rechtfertigen. In schweren Fällen kann dieses Denken in einer Beziehungssucht enden. Diese kann auch schon vorher bestanden haben und die Betroffenen hatten Glück, bisher keinem Narzissten begegnet zu sein.
- fehlendes Selbstbewusstsein
Die Partnerin kann sich nicht vorstellen, wertvoll genug zu sein, um aufgrund ihrer Persönlichkeit geliebt zu werden. Schon die Erlebnisse in ihrer Kindheit haben sie zu dieser Überzeugung gebracht. Mit der Aufopferung für den Partner kompensiert sie diesen Gedanken. Sie fühlt sich gebraucht und geliebt für etwas, was sie für ihn tut und bezieht daraus ihren Selbstwert. Dass sie in dieser Beziehung kaum etwas zurückerhält, empfindet sie als normal, weil sie bereits akzeptiert hat, nichts anderes zu verdienen.
- Helfersyndrom
Manche verlieren sich im Helfersyndrom und zur Taktik des Aggressors gehört es, den Hilflosen zu spielen. Besonders am Anfang, bevor das destruktive Verhalten Oberhand gewinnt, setzt er dieses Auftreten ein. Obwohl er scheinbar die Hilfe der Partnerin annimmt, gibt er seine Destruktivität nicht auf. Sie versucht Ihren Partner trotzdem zu retten, auch wenn sie selbst untergeht. Gelingt ihr diese Rettung nicht, sucht sie die Schuld bei sich.
- angepasstes Verhalten
Die Betroffenen sind angepasst erzogen worden. Wichtige Bezugspersonen haben immer recht und deren Ansichten werden selten hinterfragt. Sich aufzulehnen kommt ihnen gar nicht in den Sinn. Das schlechte Verhalten des Partners wird deshalb für lange Zeit nicht infrage gestellt und nur ganz selten verurteilt. Die Ausführungen des Aggressors werden hingenommen wie etwas Unausweichliches. Haushalt, Kinder, Urlaub und der reibungslose Ablauf der Partnerschaft stehen in ihrer Pflicht. Die Partnerin lässt zu, dass jede Verantwortung an sie übergeben wird. Alles was schief läuft, ist ihre Schuld.
- Ich gebe niemals auf
Die Betroffene fühlt sich verpflichtet, ihren Partner zur Einsicht zu bringen. Damit hofft sie auf eine bessere Partnerschaft und verbleibt, weil sie die Beziehung nicht aufgeben will. Sie hat alles in ihrem Leben geschafft, also wird sie dieses Problem auch lösen. Sie wird aggressiv, übellaunig, depressiv oder unausstehlich. Bald leidet nicht nur sie, sondern auch die andere Personen in ihrem Leben. Kinder, Eltern, Freunde und Arbeitskollegen. Die Betroffene bemerkt, wie ihr alles weggleitet. In der Folge zeigt sie noch mehr Bereitschaft, den Partner ändern zu wollen, um dieses Problem gleich mit zu lösen. Ein Trugschluss.
- Depressionen
Honeymoon und Verachtung wechseln sich ab und das Opfer bekommt immer wieder Zeit, sich zu regenerieren. Irgendwann fühlt sich die Betroffene erschöpft, rastlos, krank und minderwertig. Depressionen und körperliche Beschwerden überschatten die Partnerschaft und bringen den schwächeren Part an seine Grenzen. Diskussionen um die immer gleichen Themen enden im Nichts. Den körperlichen Zusammenbruch vor Augen traut sich das Opfer bald gar nichts mehr zu. Sich aus der Beziehung zu lösen und ein neues Leben anzustreben, fühlt sich falsch an.
- Angst vor der Zukunft
Ein weiterer Grund kann sein, dass die Betroffene nie alleine gelebt hat und nicht weiß, wie sie ihre Zukunft gestalten soll. In einer schlechten Beziehung gefangen, versucht sie das Beste aus ihrem Leben zu machen. Was natürlich selten gelingt. Wieder andere denken, sie könnten keinen anderen Partner mehr so lieben wie diesen einen. Nach der Trennung ist das Leben für sie am Ende. Die Betroffene bleibt bei Aggressor und muss nun die Last der emotionalen Misshandlung tragen und kann ihrem Ärger und ihrer Wut kaum Luft machen. Sie beginnt sich gegen die falschen Leute aufzulehnen und wird aggressiv, übellaunig, depressiv und unausstehlich. Nicht selten erfolgt hier der Griff zur Flasche.
Viele Opfer mit dieser Einstellung werden eines Tages von ihrem destruktiven Partner verlassen und reagieren dann vollkommen verbittert, weil sie denken, sich aufgeopfert zu haben.
Der Narzisst und die Frauenwelt
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Das Buch stellt das Wesen der emotionalen Partnerschaftsgewalt klar und deutlich heraus. Die Folgen für das Opfer werden detailliert beschrieben.
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Körperliche Gewalt wird eingesetzt
Oft mündet der Einsatz von emotionalen Übergriffen in körperlicher Gewalt. Natürlich hofft die betroffene Frau dies nie erleben zu müssen und setzt für sich das Ziel, den Aggressor in diesem Fall sofort zu verlassen. Schlägt er eines Tages tatsächlich zu, werden eilig neue Gründe gefunden, die sein Verhalten rechtfertigen.
Oft genug landet das Opfer im Krankenhaus, während er noch nicht einmal einen blauen Fleck davon trägt. Trotzdem fühlt die Betroffene sich schuldig an den Vorkommnissen und entschuldigt sich beim Aggressor für ihr Verhalten. Dieser weiß sehr genau, wie er dieses Gefühl vermittelt kann; und vernebelt von Schuld und Missbrauch, glaubt ihm das Opfer.
Wie lange bleibe ich noch?
Unter den oben beschriebenen Einflüssen entsteht eine Dynamik, in der verbale, emotionale und psychische Gewalt fortwährend als Machtmittel eingesetzt werden kann. Diese Struktur verwandelt Dich in einen Menschen, der sich selbst nicht so wichtig nimmt, weil er emotional nicht gehört, gesehen oder wahrgenommen wird.
Wer auf dieser Welt ist aber wichtig? Du verbringst dein ganzes Leben mit dir selbst. Du bist wichtig! Vergiss das bitte nicht. Vertrau auf Dich und geh, wenn Deine Zeit dafür gekommen ist.
@Evelina Blum