Toxische Beziehung | Die Muster der Kindheit

Wer mit dem Thema Narzissmus abschließen will, bemerkt schnell, dass nicht nur der Narzisst emotionale Gewalt einsetzt und man sich deshalb in einer toxischen Beziehung wiederfindet. Auch die eigenen Eltern haben sich oft an dieser unangebrachten Gewaltform bedient und sie effektvoll wirken lassen.
Viele Erwachsene, die ähnliche Strukturen in ihrer Kindheit kennengelernt haben, finden sich später deshalb in einer Missbrauchsbeziehung wieder. Das früh erlebte Unrecht durch die Erziehungspersonen spielen dabei eine tragende Rolle. Die Betroffenen konnten nicht genug Selbstwert entwickeln und halten sich selbst für das größte Problem. Dieser Gedanke wird natürlich vom narzisstischen Partner aufgegriffen und oft manipulativ gegen das Opfer eingesetzt.
Wo andere bereits fluchtartig den Raum verlassen, steht die Betroffene wie gebannt hinter einem toxischen Partner und harrt aus. Da sie schon früh gelernt hat, mit emotionaler und verbaler Gewalt umzugehen, bleibt sie vor Ort und beginnt automatisch eine Entschuldigung für das negative Verhalten des Narzissten zu finden. Was den Betroffenen in der Kindheit als Liebe verkauft wurde, greift heute.

Das Kind lernt von den Eltern mit dem Missbrauch umzugehen, indem es insgeheim viele Entschuldigungen dafür er/findet, warum ein Elternteil sich auffällig verhält. Die Eltern werden damit entlastet und das Kind sucht die Ursache für das unfreundliche Verhalten naturgemäß bei sich selbst.

Das Abhängigkeitspotenzial in toxischen Beziehungen

Woher soll es dieser besonderen Phase der Kindheit die Überzeugung hernehmen, gerade ungerecht behandelt zu werden. Der Missbrauch nimmt Formen an und wird fortgesetzt. Das Kind und später die Erwachsenen werden massiv abhängig von dem Wohl und Weh anderer Menschen, und das ganze Wohlbefinden hängt von den Personen ab, die man liebt. Verständlich, da ein Kind nicht für sich selbst sorgen kann. Wird dieses Denken jedoch fortgeführt, geht die Betroffene diesen Weg weiter und wird sich an die Gegebenheiten anpassen, wie in Kindheitstagen.
Wer mit suchtkranken Elternteilen aufgewachsen ist, findet sich in diesem Kreislauf ebenfalls wieder. In diesen dysfunktionalen Familien dreht sich alles nur um Alkohol, Drogen oder eben um das narzisstische Selbst eines Elternteils.

Die Kinder stehen emotional allein und kämpfen sich durch viele Dramen und Auseinandersetzungen. Sie sind es nachher gar nicht mehr gewohnt, wertgeschätzt zu werden. Später bleiben sie in einer ähnlich destruktiven Beziehung gefangen, ohne auch nur zu ahnen, warum. Auf eine wundersame Weise haben Sie Angst, ihre Heimat zu verlieren.
Ihre Kindheit hat Spuren hinterlassen und diese prägt die Beziehungsstruktur! Sich mit einem Narzissten einzulassen und ihm erhalten zu bleiben, liegt also gar nicht mehr so fern.

Wenn man immer wieder an einen Narzissten gerät! Diverse Verhaltensstrukturen werden erlernt

Viele der fest eingefahrenen Verhaltensstrukturen und Glaubenssätze erlernt der Mensch tatsächlich in seiner Kindheit. Viele Gewohnheiten und Verhaltensmuster finden dort ihren Ursprung. Oft waren die Bezugspersonen ebenso kalt, lieblos, gemein und abwertend wie heute der Narzisst. Das Kind schraubt die eigenen Ansprüche drastisch zurück und statt einem Elternteil das schlechte Verhalten zu verübeln, wird dieses als eine gerechte Strafe empfunden. Das Kind kann es den Eltern nicht recht machen und sollte sich schämen.
Wo soll es auch ein anderes Wissen hernehmen? Kinder gehen immer davon aus, an allem die Schuld zu tragen. Und narzisstische Elternteile finden immer die richtigen Worte, um das Kind in diesem falschen Denken zu unterstützen. Davon ist auszugehen.

Um diesen Missbrauch zu rechtfertigen, werden oft alle Personen innerhalb der Familie zu Komplizen ernannt, insbesondere die Mutter. Um den Schein zu wahren, wird dem Kind vermittelt, alles sei gut, obwohl die Missstände deutlich hervortreten. Nichts ist scheinbar so, wie das Kind es wahrnimmt:

Beispiel

Das Kind leidet unter einem narzisstischen Vater und die Mutter spielt die massiven Abwertungen herunter. "Der Papa meint es nicht so. Stell dich doch nicht so an." Das Kind lernt nun, dass das Verhalten des Vaters normal ist und hingenommen werden muss.
Kommt das gleiche Kind nachher zu dem Schluss, dass der Vater es nicht lieb hat, wird dieser Wahrnehmung wiederum widersprochen. "Der Papa hat dich lieb, er kann es nur nicht so zeigen."
Das Kind lernt jetzt, dass es wieder eine falsche Wahrnehmung hat und das perverse Verhalten des Vaters durchaus Liebe sein kann, obwohl es gerade einer massiven Abwertung ausgesetzt war.
Auch wenn der Aggressor niemanden zuhört und seine Familienmitglieder ständig übersieht und misshandelt, wird um Nachsicht geworben.

Die Folgen?

Die Mutter bringt dem Kind bei, innerhalb des Missbrauchs zu überleben. Vor allem von dem Elternteil, der den Aggressor deckt und verteidigt, lernt das Kind. In unserem Fall schaut es wissbegierig zu, wie die Mutter mit dem Vater umgeht. Wird sie ebenfalls von ihm angefeindet, lernt das Kind noch weitere Verhaltensstrukturen dazu. Oft defininieren sich diese Kinder eher über den Vater, um den Quälereien zu entkommen.
Diese Überlebensstrategie ist manchmal so festgefahren, dass die Betroffenen später gar nicht mehr erkennen können, dass sie sich in einem exakt gleichen Beziehungsmuster ihrer Kindheit befinden.
Erst wenn der Leidensdruck zunimmt und andere Personen sie darauf aufmerksam machen, kommt Bewegung in die festgefahrene Struktur.

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Die Struktur des narzisstischen Missbrauchs

In der ersten Phase der Beziehung eignet sich der Aggressor umfangreiche Kenntnisse über die Partnerin an. Er lässt das zukünftige Opfer vieles von sich erzählen: Wünsche, Pläne, Hoffnungen und Kränkungen aus der Kindheit findet er besonders interessant.
Dieses Wissen nutzt er später, um die vermisste Anteilnahme aus den fernen und schmerzhaften Kindheitstagen gutzumachen. Hobbys, Lebenspläne und Lebenslinien seines Opfers übernimmt er ebenfalls und verkauft diese als sein eigenes Produkt und Teil seiner Persönlichkeit. Die betroffene Frau denkt, sie hat ihren Seelenverwandten gefunden. Punktlandung. Der sogenannte Honeymoon beginnt und ein atemberaubender Höhenflug in die Welt der Liebe ist erzeugt.

Später entzieht er dem Opfer diese Zuwendung wieder und täuscht vor, es sei selbst schuld daran. Aus den Erkenntnissen der vorherigen Erzählungen weiß er genau, welche Trigger er dafür einsetzen kann. Er manipuliert mit den Tatsachen, die er sich vorher hat erzählen lassen. "Immer siehst du alles so eng, das war doch schon immer so. Arbeite bitte mal daran. Deine Eltern könnten recht haben."
Besonders innerhalb von Auseinandersetzungen vergreift er sich an den Schwachstellen seiner Partnerin.

Diese sucht wie gewollt den Fehler bei sich selbst und entschuldigt sich bei dem Narzissten für ihr aufbrausendes Temperament. Sie sieht ein, dass sie sich falsch verhalten hat. Der Aggressor hat jede Schuld an einer Auseinandersetzung von sich geschoben und das Opfer übernimmt die Verantwortung für den Vorfall. Vielleicht hat er ja recht?
Nein, hat er nicht, aber zu spät. Das Opfer wurde bereits in der Kindheit konditioniert, für vieles ungefragt die Verantwortung zu übernehmen. Daher adaptiert die Erwachsene später bereitwillig jede Schuld, die ihr vom Narzissten zugeschoben wird. Das Bauchgefühl sagt etwas anderes, aber hier wird schon lange nicht mehr hingehört.

Du bist schuld!

Dass der Narzisst nur in dieser fragwürdigen Dimension lebt und überlebt, wird oft übersehen. Schuld ist für ihn gleich Versagen; und diese beiden Gegensätze sind untrennbar mit ihm verbunden. In einer Beziehung mit einem Narzissten geht es deshalb auch immer nur um die Schuldfrage. Niemand sonst interessiert sich so brennend dafür, von aller Schuld und Verantwortung freigesprochen zu werden.

Wer sich noch fragt, ob er mit einem Narzissten zusammen ist, kann sich an diesem Thema orientieren. In einer normalen Beziehung wird nicht über die Schuldfrage diskutiert, sondern über Lösungswege. Über diese wiederum kann das Opfer mit einem Narzissten überhaupt nicht reden, da sie für ihn völlig unwichtig sind.

Indem er keine Lösung für ein Problem findet, braucht er auch keine anteilige Verantwortung zu tragen. So wäscht er sich von allen Fehlern rein.
Das Problem besteht weiter und die Partnerin hat weiterhin Schuld, wenn das Grundproblem nicht beseitigt wird. Wer Verantwortung übernimmt, hat auch die Gelegenheit zu versagen. Diese Logik macht er sich zur zu eigen. Deshalb sucht und findet der Narzisst automatisch immer die Schuld beim anderen.

Die Partnerin ist allein für den Haushalt zuständig und muss sich beschimpfen lassen, weil Salz fehlt. Sie übernimmt die alleinige Erziehung der Kinder und muss sich anhören, diese wären verzogen. Genüsslich entzieht er sich jeder Verantwortung und verurteilt andere.
Die Betroffene, gewohnt in der Welt von anderen zu leben und eher deren Bedürfnisse zu erfüllen, kommt seinen Anforderungen nach, anstatt ihn in die Schranken zu weisen. So wird er perfekt vom Opfer aufgefangen, getragen und umsorgt. Auch dieses Verhalten lernt die Erwachsene als Kind. Hat die Mutter dem Vater schon alles hinterhergetragen und die Schuld für alles übernommen, warum sollte es jetzt anders sein?

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Evelina Blum
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Warum manche Menschen so anfällig für Narzissten sind

Warum gehe ich nicht, sondern arbeite weiter dafür, geliebt zu werden? Auch hierfür wurden die Weichen in der Kindheit gestellt. Innerhalb einer toxischen Familienkonstellation akzeptiert das Kind beizeiten, dass für Liebe gearbeitet werden muss.
Die Gefühlsregungen des Kindes werden abgetan und als unwichtig deklariert. Trotzdem zeigt es sich freundlich und zugänglich, obwohl von den Erziehungspersonen viel Druck aufgebaut wird.
Sobald das Kind jedoch lernt, dass es durch gute Noten einen schwierigen Elternteil für sich gewinnen kann, wird es sich dieses Verhalten aneignen. Es setzt nicht mehr voraus, um seiner Selbst geliebt zu werden, sondern nur, wenn eine Leistung erbracht wird. Das Kind arbeitet jetzt für Liebe und zeigt freundliches Verhalten, obwohl es eigentlich vollkommen überfordert ist. Jede 2 auf dem Zeugnis wird zum Problem und das ist nicht alles.

Kommt ein Narzisst daher, bist du jetzt das perfekte erwachsene Opfer. Du bist weiterhin nett und freundlich und trägst ihm alles hinterher, während er dich mit emotionaler Gewalt quält. Du willst dich natürlich nicht auf sein Niveau herablassen, weil du auch schon viele Ungerechtigkeiten ertragen musstest, und du denkst, er lernt von dir und hört auf, dich zu verletzen. Der andere wird jedoch nicht aufhören. Er wird den Respekt vor dir verlieren. Er wird dich weiter traktieren.

Nett zu sein heißt auch nicht automatisch, sich für andere aufzuopfern, nur weil du dir vorstellst, der andere wäre ebenso dazu bereit. Das Gegenteil ist oft der Fall. Dir wird kein Respekt entgegengebracht, so nett und freundlich du auch sein magst.

Nur wenn du deine Persönlichkeit deutlich zum Ausdruck bringst und anderen deine Grenzen aufzeigst, kannst du respektiert werden.

Diesem Verlangen kannst du jedoch nur Nachdruck verleihen, wenn eine Konsequenz erfolgt und Du dich nicht einschüchtern lässt von deiner eigenen Verlustangst. Ansonsten werden die Beleidigungen weitergehen und du drehst dich im Kreis.
Du bist nicht mehr das kleine Kind, das emotional zur Seite geschoben wird, wenn es unartig ist. Trotzdem ist natürlich die Verlustangst da und es wird immer Menschen geben, die dich jetzt tatsächlich verlassen. Weil sie nicht bekommen, was sie sich wünschen, suchen sie nach anderen Personen, die sich ihnen bedingungslos anpassen.

Zu diesem Personenkreis gehört der Narzisst. Aber das weißt du sicher schon!

Würde und Selbstachtung einfordern

Im Grunde sind es immer die gleichen Dinge, die den Missbrauch möglich machen. Es ist die fehlende Beachtung deiner Gefühlswelt, der fehlende Respekt dir selbst gegenüber und die fehlende Achtung deiner menschlichen Würde. Wie wichtig bist Du Dir also selbst? Welchen Preis bist du bereit zu zahlen, wenn jemand deine Grenzen überschreitet und dich als jetzt erwachsene Person missachtet?

Kannst Du gehen und dich nicht mehr umdrehen, wenn du langfristig beleidigt und abgewertet wirst? Kannst du die kommende Einsamkeit aushalten? Kannst du mit den negativen Gefühlen einer Trennung umgehen? Hast du deinen Selbstwert überhaupt im Blick?

Der Gewinn wäre ein Leben mit einem Partner, der dich versteht und dich liebt. Bleibst du dagegen ewig in einer schlechten Beziehung verhaftet, ist die Chance auf ein gutes Dasein gleich null. Was genau bringt dich also dazu, dich angepasst und neutral zu verhalten? Warum gehst du nicht, wenn dir jemand ganz deutlich signalisiert: "Ich liebe dich nicht." Und diese Signale erhältst du sehr oft in einer narzisstischen Beziehung. Du versuchst sie nur zu übersehen. Warum?

Sieh genau hin und höre auf die erwachsene Stimme in dir.
Das Kind in dir will vielleicht nicht allein sein, natürlich nicht. Es will bleiben und sich lieber unterordnen. Es will das Leben leben, das es kennt. Es kann Autorität und Eigennutz aushalten, ohne zu zerbrechen. Es kann sich verbiegen und verzetteln und sich das Leben schön reden. Das Kind will geliebt werden, egal, welchen Einsatz es bringen muss.
Dem Kind ist nicht bewusst, dass die Tage seiner Abhängigkeit längst vorbei sind. Es konnte sich als Kind keine eigene Wohnung nehmen und ausziehen. Du kannst es!

Beruhige das aufgewühlte Kind. Mache ihm Hoffnung. Zeige ihm, dass Du jetzt erwachsen bist. Dass es Plätze auf dieser Welt gibt, die fern von Liebesentzug, Beleidigungen und emotionalen Entbehrungen sind. Die Erwachsene ist in der Lage, diesen Platz für das Kind zu finden, indem sie ihm gibt, wonach es sich eigentlich sehnt.

Dein Kopf findet die richtige Antwort; aber nicht die Angst in Dir, die das Kind empfindet. Dieses kleine Wesen hat gelernt, dass es massiv verletzt werden darf und die Schuld dafür - bei sich selbst zu suchen. Diese unguten Gefühle der Kindheit manifestieren sich in deinem Bauchgefühl, was du ständig unterdrücken musstest. Das du wahrscheinlich schon als Kind unterdrückt hast.
Als Erwachsene musst du das nicht mehr. Der erwachsene Mensch darf zu seinem negativen Bauchgefühl stehen und die Beziehung mit einem Narzissten beenden. Das Kind konnte und durfte es nicht. Es hätte nicht überlebt. Du überlebst. Deshalb sprechen viele Betroffene davon, die Beziehung mit einem Narzissten "überlebt" zu haben.

Wenn du deine individuellen Muster erkennst, die den Missbrauch möglich machen, kannst du dich schützen. Die destruktiven Muster nur beim Partner zu suchen, wird dir auf Dauer wenig helfen. Die "Red Flags" bei jedem neuen Kennenlernen durchzugehen, kann sehr anstrengend werden.
Schau lieber auf dein eigenes Empfinden und weniger auf die Vorgehensweise deines Gegenübers. Du bist der Mittelpunkt deiner Welt, niemand sonst. Wenn es dir mit einer Person nicht gut geht und du kannst sofort gehen, dann tu das. Überlege nicht, warum der andere sich schlecht verhalten hat. Damit bist du wieder im Muster deiner Kindheit.
Ist dir eine Person unangenehm, finde keine Entschuldigung und bleibe bei Deiner Wahrnehmung. Suche bewusst nach Informationen, die dir dabei helfen, dich selbst wieder stark und zuversichtlich zu fühlen.

In der Kindheit hast du gelernt, den Blick abzuwenden und schlechtes Verhalten hinzunehmen. Jetzt nimm dir die Zeit, um genau hinzusehen, wie du in Zukunft mit solchen Begegnungen umgehen willst. Denn an diesem Punkt beginnt der Missbrauch durch andere, den du gelernt hast, zuzulassen.

@Evelina Blum

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