Warum habe ich immer wieder einen narzisstischen Partner?
Wer mit dem Thema Narzissmus abschließen will, bemerkt schnell, dass nicht nur allein der Narzisst mit destruktiven Seiten bestückt ist. Auch die eigenen Eltern haben sich oft dieser Gewaltform bedient und sie effektvoll wirken lassen. Viele Erwachsene, die ähnliche Strukturen in ihrer Kindheit kennengelernt haben, finden sich später in einer Gewaltbeziehung wieder. Das früh erlebte Unrecht durch Erziehungspersonen spielt dabei eine tragende Rolle. Die Betroffenen konnten nicht genug Selbstwert entwickeln und halten sich selbst für das größte Problem. Dieser Gedanke wird natürlich vom narzisstischen Partner aufgegriffen und für sich verwertet.
Sich dann mit einem Narzissten einzulassen, liegt gar nicht mehr so fern. Wo andere bereits fluchtartig den Raum verlassen, stehen sie wie gebannt hinter ihrem Partner und harren aus. Da sie schon früh gelernt haben, mit emotionaler und verbaler Gewalt umzugehen, bleiben sie vor Ort.
Abhängigkeitspotenziale
Erwachsene, die mit alkoholkranken Elternteilen aufgewachsen sind, finden sich ebenfalls in ähnlichen Situationen wieder, auch Drogenmissbrauch kann ein Thema sein. In diesen Familien dreht sich alles nur um Alkohol, Drogen oder um das narzisstische Selbst eines Elternteils. Die Kinder stehen emotional allein und kämpfen sich durch viele Dramen und Auseinandersetzungen. Sie sind es nachher gar nicht mehr gewohnt, wertgeschätzt zu werden.
Deshalb bleiben viele bei einem narzisstischen Partner, ohne zu ahnen, warum. Auf eine wundersame Weise haben Sie Angst, ihre Heimat zu verlieren. Die Kindheit hat Spuren hinterlassen und prägt bis heute die Beziehungsstruktur!
Verhaltensstrukturen aufgeben
Viele der fest eingefahrenen Verhaltensstrukturen und Glaubenssätze erlernt der Mensch tatsächlich in seiner Kindheit. Viele Gewohnheiten und Verhaltensmuster finden dort ihren Ursprung. Mit dem destruktiven Verhalten der Erziehungspersonen wird hier die erste Bekanntschaft gemacht. Oft waren sie ebenso kalt, lieblos, gemein und abwertend wie heute der Narzisst. Das Kind erlernt schon früh damit umzugehen und schraubt die eigenen Ansprüche drastisch zurück.
Was den Betroffenen in der Kindheit als Liebe verkauft wurde, greift heute. Das Kind lernt von den Eltern mit dem Missbrauch umzugehen.
Vor allem von dem Elternteil, der den destruktiven Part deckt und verteidigt.
"Der/die Mama/Papa hat dich trotzdem lieb. Auch wenn er dir nie zuhört und dich ständig übersieht." Diese Überlebensstrategien sind manchmal so festgefahren, dass die Betroffene gar nicht erkennt, dass sie sich in einem exakt gleichen Beziehungsmuster wiederfindet. Es ist also nur natürlich, dass auch der Missbrauch als normal empfunden wird.
Erst wenn der Leidensdruck zunimmt, und andere Personen die Betroffene darauf aufmerksam machen, kommt Bewegung in die festgefahrenen Bahnen.
Die Struktur des Missbrauchs
In der ersten Phase der Beziehung eignet sich der Aggressor Kenntnisse über die Partnerin an. Er lässt das zukünftige Opfer vieles von sich erzählen: Wünsche, Pläne, Hoffnungen und Kränkungen aus der Kindheit findet er besonders interessant.
Dieses Wissen nutzt er, um die vermisste Anteilnahme aus fernen und schmerzhaften Kindheitstagen vorzutäuschen. Hobbys, Lebenspläne und Lebenslinien seines Opfers übernimmt er ebenfalls und verkauft sie als sein eigenes Produkt. Die betroffene Frau denkt, sie hat ihren Seelenverwandten gefunden. Punktlandung.
Der sogenannte Honeymoon beginnt und ein atemberaubender Höhenflug in die Welt der Liebe wird erzeugt. Später entzieht er dem Opfer diese Liebe wieder und täuscht vor, dass Opfer sei selbst schuld daran. Aus den Erkenntnissen der vorherigen Erzählungen weiss er genau, welche Trigger er einsetzen kann. Er manipuliert mit den Tatsachen, die er sich vorher hat erzählen lassen. "Immer siehst du alles so eng, das war schon immer so. Arbeite bitte mal daran."
Die Erwachsene, gewohnt als Kind gleichwertiges Verhalten ertragen zu haben, bleibt dem Narzissten treu ergeben, weil kaum etwas dagegen gesetzt werden kann. Vielleicht hat er ja recht? Nein, hat er nicht, aber zu spät. Das Opfer wurde bereits in der Kindheit konditioniert, für vieles ungefragt die Verantwortung zu übernehmen. Deshalb adaptiert die Erwachsene später bereitwillig jede Schuld, die ihr vom Narzissten zugeschoben wird.
Versagen und Schuld
Der Narzisst denkt nur in diesen Dimensionen.
Für ihn ist Versagen immer gleich Schuld. Wer Verantwortung übernimmt, hat auch die Gelegenheit zu versagen. Diese Logik macht er sich zur zu eigen. Deshalb sucht der Narzisst die Schuld immer beim anderen und wird nur selten freiwillig die Verantwortung für sein Handeln übernehmen.
Die Partnerin ist daher oft allein für den Haushalt zuständig und muss sich beschimpfen lassen, weil Salz fehlt. Sie übernimmt die alleinige Erziehung der Kinder und muss sich anhören, diese wären verzogen. Genüsslich entzieht er sich jeder Verantwortung und verurteilt andere.
Die Betroffene, gewohnt in der Welt von anderen zu leben und eher deren Bedürfnisse zu erfüllen, kommt seinen Anforderungen nach. Anstatt ihn in die Schranken zu weisen, wird er nun perfekt vom Opfer aufgefangen und umsorgt.
Der Narzisst und die Frauenwelt
Machtspiele
E-Book by Evelina Blum
Das Buch stellt das Wesen der emotionalen Partnerschaftsgewalt klar und deutlich heraus. Die Folgen für das Opfer werden detailliert beschrieben.
amazon.de
Warum zeige ich dieses Verhalten?
In der Kindheit werden die Weichen für die späteren Verhaltensstrukturen gestellt. Das Kind akzeptiert, dass für Liebe gearbeitet werden muss. Das Kind zeigt sich freundlich und zugänglich, obwohl von den Erziehungspersonen viel Druck aufgebaut wird. Die Gefühlsregungen des Kindes werden abgetan und als unwichtig deklariert.
Diese und andere Faktoren können dafür verantwortlich sein, dass andere jetzt dein freundliches Wesen ausnutzen. Lieb sein heißt aber nicht, andere über sich selbst zu stellen. Wirst du beleidigt, so höre auf, nett zu sein. Der andere wird sonst nicht aufhören, dich zu verletzen. Er verliert nur den Respekt vor dir. Kommt ein Narzisst daher, bist du das perfekte Opfer.
Nett sein heißt auch nicht, sich für andere aufzuopfern, nur weil du dir vorstellst, der andere wäre ebenso bereit dazu. Er wird dich ausnutzen, weil er deine Freundlichkeit vielleicht als Abhängigkeit entlarvt. Kommt ein Narzisst daher, bist du wiederum das perfekte Opfer. So könnte es jetzt endlos weiter gehen.
Respektvolles Verhalten
Dir wird kein Respekt entgegengebracht, so nett und freundlich du auch sein magst. Nur wenn du deine Persönlichkeit deutlich zum Ausdruck bringst und anderen deine Grenzen aufzeigst, kannst du respektiert werden. Du bist nicht mehr das kleine Kind, das emotional verlassen wird, wenn es unartig ist. Trotzdem ist natürlich die Verlustangst da, wenn du dich durchsetzen willst. Es wird Menschen geben, die dich jetzt tatsächlich verlassen werden, nur weil sie nicht bekommen, was sie sich wünschen.
Zu diesen Personen gehört der Narzisst.
Würde und Selbstachtung
Im Grunde sind es immer die Fragen zu deiner Würde, Erwartungshaltung und Selbstachtung, die Kummer machen. Wie wichtig bist Du Dir selbst? Welchen Preis bist du bereit zu zahlen, wenn jemand deine Grenzen überschreitet? Kannst Du gehen und dich nicht mehr umdrehen? Kannst du die kommende Einsamkeit aushalten? Kannst du mit deinen negativen Gefühlen umgehen? Hast du deinen Selbstwert überhaupt im Blick?
Der Gewinn wäre ein Leben mit einem Partner, der dich versteht und dich liebt. Bleibst du dagegen ewig in einer schlechten Beziehung verhaftet, ist die Chance auf ein gutes Dasein gleich null. Was genau bringt dich also dazu, dich angepasst und neutral zu verhalten? Warum gehst du nicht, wenn dir jemand signalisiert: "Ich liebe dich nicht."
Sieh genau hin und höre auf die erwachsene Stimme in dir.
Das Kind in dir will nicht allein sein, natürlich nicht. Es will bleiben und sich unterordnen. Es will das Leben leben, was es kennt. Es kann Autorität und Eigennutz aushalten, ohne sich zu verbiegen. Das Kind will geliebt werden, egal, welchen Einsatz es bringen muss. Dem Kind ist nicht bewusst, dass die Tage deiner Abhängigkeit längst vorbei sind. Es konnte sich als Kind keine eigene Wohnung nehmen und ausziehen.
Beruhige das aufgewühlte Kind. Mache ihm Hoffnung. Es kann nicht sehen, was Du jetzt als Erwachsene wahrnimmst. Dass es einen Platz in dieser Welt gibt, fern von Liebesentzug, Beleidigungen und emotionalen Entbehrungen. Die Erwachsene ist in der Lage, diesen Platz für das Kind zu finden, indem sie ihm gibt, wonach es sich sehnt.
Dein Kopf findet die richtige Antwort; nicht die Angst in Dir, die das Kind empfindet. Dieses hat gelernt, dass es massiv verletzt werden darf. Diese unguten Gefühle der Kindheit manifestieren sich in einem Bauchgefühl, die das Kind unterdrücken musste. Als Erwachsene musst du das nicht mehr. Der erwachsene Mensch darf zu seinem negativen Bauchgefühl stehen und gehen. Das Kind konnte und durfte es nicht. Es hätte nicht überlebt. Du überlebst. Deshalb sprechen viele Betroffene davon, die Beziehung mit einem Narzissten "überlebt" zu haben.
Schütze Dich!
Wenn Du die individuellen Muster erkennst, die den Missbrauch möglich machen, kannst Du Dich schützen. Die destruktiven Muster, nur beim Partner zu suchen, wird auf Dauer wenig helfen. Schau lieber auf Dein eigenes Empfinden und weniger auf die Vorgehensweise deines Gegenübers. Du bist der Mittelpunkt Deiner Welt, niemand sonst.
Ist dir eine Person unangenehm, finde keine Entschuldigung für deren Verhalten und bleibe bei Deiner Wahrnehmung. Suche bewusst nach Informationen, die dir dabei helfen, dich selbst wieder stark und zuversichtlich zu fühlen. In der Kindheit hast du gelernt, den Blick abzuwenden und schlechtes Verhalten hinzunehmen. Jetzt nimm dir die Zeit, um genau hinzusehen, wie du in Zukunft mit solchen Begegnungen umgehen willst. Denn an diesem Punkt beginnt der Missbrauch durch andere, den du gelernt hast zuzulassen.
@Evelina Blum